Ein Eilmarsch durch 4.000 Jahre Heimatgeschichte
Steinzeitmenschen
und Germanen – Sachsen und Franken
Die Geschichte des Hattinger Raumes lässt sich
bis weit in die Jungsteinzeit zurückverfolgen.
Archäologische Funde belegen, dass sich bereits
um 2000 vor Chr. u.a. in Holthausen, Welper und an der
Westseite des Isenberges frühe Siedlungsplätze
befunden haben. Der sogenannte "Hilinciweg",
oder auch Kleiner Hellweg genannt, führt wahrscheinlich
ebenfalls schon im Niolithikum durch das Balkhauser
Tal und das Bergische Land in die Kölner Bucht.
Germanischer
Kultstein, der Horkenstein
In den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende leben an der mittleren Ruhr Germanen vom Stamm der Hattuarier. Ihnen verdankt Hattingen auch seinen Namen, bezeichnet doch "Hatneghen", wie die Siedlung ursprünglich genannt wurde, einen befestigten Platz, den die Hattuarier auf dem "Nocken" oberhalb der Winzer Ruhrfurt angelegt hatten.
Durch das Vordringen der Sachsen in den hiesigen Raum entsteht im 8. Jahrhundert der sächsische Gau Hatterun. Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen entwickelt sich aus der alten Hattuarierfeste ein fränkischer Reichshof, dessen etwa 20 Unterhöfe im gesamten Hattinger Land - u.a. Elfringhausen, Stüter und Stiepel - verstreut liegen. Dieser Hofesverband soll die fränkischen Herrschaftsansprüche an strategisch bedeutender Stelle - Hilinciweg, Ruhrfurt, Grenzlage - sichern und festigen.
Im Jahre 1005 schenkt der spätere Kaiser Heinrich II. den Reichshof Hattingen und die dazugehörende Kirche der neugegründeten Benediktinerabtei Deutz bei Köln. Die urkundliche Ersterwähnung Hattingens lässt sich in der Bestätigung dieser Schenkung durch Erzbischof Heribert von Köln im Jahre 1019/20 nachweisen. Auch die Kirche in Niederwenigern wird 1147 als Deutzer Besitz genannt.
Die Mordtat des Isenbergers
Gegen Ende des 12. Jahrhunderts errichtet der Kölner
Erzbischof Adolf mit Hilfe seines Bruders, Arnold von
Altena, auf dem Isenberg eine mächtige Burg. Die
Ermordung des Kölner Erzbischofs Engelbert durch
den Burggrafen Friedrich von Isenberg am 7. November
1225 führt jedoch zu einschneidenden Umwälzungen
in der Herrschaftsstruktur des hiesigen Raumes.
Isenberg
Friedrich
wird in Köln hingerichtet, die Isenburg zerstört,
stattdessen errichten die neuen Hattinger Landesherren,
die Grafen von der Mark, auf dem "Blanken Steyn"
eine eigene Burganlage. Doch müssen sie ihren Herrschaftsanspruch
in langen und blutigen Fehden gegenüber dem Kölner
Erzbischof behaupten. Der Hof von Hattingen mit Dorf
und Kirche gerät durch diesen Interessenkonflikt
(Landesherr = Graf von der Mark / Grundherr = Kloster
Deutz und Erzbischof) in starke Bedrängnis. In
den Jahren 1250 und 1254 wird der Flecken Hattingen
zweimal von den märkischen Soldaten des Blankensteiner
Drosten Bernd Bitter niedergebrannt. Als der Hof von
Hattingen in seiner Not schließlich den Grafen
von der Mark zu seinem Schirmherren erwählt, äschern
diesmal die Reisigen des ins Hintertreffen geratenen
Kölner Erzbischofs die Siedlung am 2. April 1263
ein.
Hattingen wird Stadt
Die unmittelbare Grenzlage Hattingens zur Grafschaft
Berg und die ständige Bedrohung durch den Kölner
Erzbischof bewirkt die Verleihung zahlreicher Privilegien
seitens der Grafen von der Mark, schließlich sollten
die Untertanen "bei Laune gehalten", der strategisch
wichtige Stützpunkt wirtschaftlich und militärisch
gestärkt werden. Durch die Übertragung von
Einzelprivilegien konnte es jedoch nie zu einer einmaligen
"Stadtrechtsverleihung" kommen, die Stadtwerdung
Hattingens vollzieht sich vielmehr schrittweise in einen
Zeitraum von etwa 100 Jahren. So verleiht Graf Engelbert
am 17. Mai 1350 die Freiheitsrechte, etwa zur gleichen
Zeit wird bereits ein Markt abgehalten, eine frühe
Form der Selbstverwaltung üben Bürgermeister
und Ratsherren aus. Allerdings gilt der Befestigungsvertrag
zwischen Graf Dietrich von der Mark, Bürgermeistern
und Rat sowie dem Schultheißen des Hofes von Hattingen
vom 2. Juli 1396 allgemein als Zeitpunkt der Stadtwerdung.
Bericht
über die Verleihung der Stadtrechte
Sämtliche nachfolgenden Privilegien wie die Erhebung von Wegegeld, Weinzins, Kornakzise, die Erlaubnis zur Abhaltung von Wochen- und Jahrmärkten, Zollfreiheit etc. ergänzen das Stadtrecht. Ab 1486 dürfen Bürgermeister und Rat eigene Gesetze und Statuten - Koer und Wilkoer - erlassen. Mit dem dadurch erreichten hohen Stand der Selbstverwaltung kann der Prozess der Stadtwerdung Hattingens endgültig als abgeschlossen angesehen werden.
Die verstreut liegenden Höfe des "platten" Landes schließen sich etwa zur gleichen Zeit zu Bauerschaften zusammen, aus denen sich die späteren Gemeinden entwickeln. Die unterhalb der Burg erwachsene Siedlung Blankenstein erhält 1355 ebenfalls Freiheitsrechte und wird wie Hattingen durch zwei Bürgermeister und Ratsherren verwalt
Erste wirtschaftliche Blüte
Mit der Gründung von Gilden im Jahre 1412 wird
die Stadt Hattingen zum wichtigsten Handelszentrum im
Westen der Grafschaft Mark. Vor allem die Tuchmacher
erlangen überregionale Bedeutung. Zwar wird dieser
wirtschaftliche Aufschwung durch die völlige Einäscherung
der Stadt im Bruderkrieg zwischen den Grafen Adolf und
Gerhard von der Mark im Jahre 1424 vorerst wieder gehemmt,
doch schon bald führt der Handel die Hattinger
Kaufleute wieder auf die entferntesten Märkte in
ganz Europa. Seit 1554 gehören Hattingen und auch
Blankenstein urkundlich nachweisbar der Hanse an. Die
noch heute in der Hattinger Altstadt zu bewundernden
reichverzierten Fachwerkhäuser wie zum Beispiel
das 1576 fertiggestellte Alte Rathaus am Untermarkt
zeugen von dieser wirtschaftlichen Blütezeit.
Altes
Rathaus
Ab etwa 1580 setzt sich im ganzen Hattinger Land allmählich die Reformation durch. Auch die Abhängigkeiten zum Kloster Deutz werden nach und nach abgebaut. Lediglich in Blankenstein und Niederwenigern bleiben auch weiterhin katholische Gemeinden bestehen. Die so Anfang des 17. Jahrhunderts entstandene religiöse Struktur des Hattinger Landes besteht bis auf den heutigen Tag fort.
Pest und Krieg
Kriegerische Ereignisse und die verheerenden Auswirkungen
der Pest im 17. und 18. Jahrhundert setzen schließlich
dem Wohlstand ein Ende, ruinieren die Wirtschaft. Ab
1666 gehört die Stadt Hattingen zusammen mit der
Grafschaft Mark zum Kurfürstentum Brandenburg.
Hattingen
um 1660
Nur langsam kann sich die Region von den Lasten des Dreißigjährigen Krieges erholen. Neben der Textilindustrie erlangt vor allem der Bergbau immer größere Bedeutung. Mit der seit 1780 schiffbaren Ruhr steht endlich ein Massentransportweg zur Verfügung, der das Hattinger Land mit den bedeutenden Wirtschaftszentren verbindet. Ein wichtiger Grundstein für die industrielle Entwicklung des gesamten Ruhrgebietes ist gelegt.
Nach der napoleonischen Fremdherrschaft werden ab 1815 dem französischen Vorbild folgend die beiden Ämter Hattingen und Blankenstein eingerichtet und dem Kreis Bochum in der neugebildeten preußischen Provinz Westfalen angegliedert. Im Jahre 1843 scheidet die Stadt Hattingen aus dem Amtsverband Hattingen-Land aus, so dass von nun an drei Verwaltungseinheiten bestehen.
Graf Henrich verändert die Region
Die Entdeckung des Hattinger Spateisenflözes führt
zum Einzug der Schwerindustrie, die bisher so florierende
Textilindustrie wird bedeutungslos. Im Jahre 1853 erwirbt
Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode vom Rittergut Bruch
in Welper die ersten 76 Morgen Land zur Errichtung eines
Hüttenwerkes. Das nach ihrem Gründer Henrichshütte
genannte Stahlwerk wird über 130 Jahre hindurch
die Wirtschafts- und Sozialstruktur der gesamten Region
bestimmend prägen. Vor allem Welper nimmt mit der
Hütte einen rasanten Aufschwung.
Henrichshütte
Im Jahre 1869 erhält Hattingen einen Bahnanschluss, allmählich beginnt die Stadt, sich über die alten Grenzen der Stadtmauer hinaus auszudehnen. Besonders die heutige Bredenscheider Straße und die Bahnhofstraße seien hier stellvertretend erwähnt. Letztere entwickelt sich zur "Dienstleistungs- und Verwaltungsstraße", befindet sich hier doch u.a. der Sitz des 1885 gebildeten Kreises Hattingen, der Amtsverwaltung Hattingen-Land, des Amtsgerichtes, außerdem das Postamt, zahlreiche Banken, die neue katholische Kirche St. Peter und Paul sowie seit 1872 die jüdische Synagoge. Eine weitere bedeutende Ausdehnung erfährt die Stadt im Jahre 1910 durch den Bau des neuen Rathauses auf dem sogenannten Pastorskamp. Die Namen der umliegenden Straßen - Roonstraße, Augustastraße, Viktoriastraße - verweisen auf die wilhelminische Epoche.
Düstere Zeiten
Nach dem Ersten Weltkrieg beginnt für Hattingen
eine besonders turbulente Zeit. In den Jahren 1923 -
1925 wird der hiesige Raum zur Erzwingung deutscher
Reparationszahlungen von französisch/belgischen
Truppen besetzt.
Französische
Truppen marschieren durch die Bruchstraße
Diese, von der Bevölkerung als Unrecht angesehene Okkupation, sowie schwere wirtschaftliche Krisen, Inflation, Arbeitslosigkeit etc. führen zu einer politischen Radikalisierung in der Stadt. So kann Hattingen sowohl als Hochburg der NSDAP, als auch der KPD bezeichnet werden. Blutige Straßenkämpfe und verbissen geführte politische Auseinandersetzungen sind Anfang der 30er Jahre an der Tagesordnung. Auch die Fragen der kommunalen Neugliederungen, die Auflösung des Kreises Hattingen und die Bildung des Ennepe-Ruhr-Kreises im Jahre 1929 führen zu nicht unerheblichen Spannungen und erhitzen die Gemüter.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 erfolgt auch im Hattinger Land auf brutale Weise, Regimegegner werden skrupellos eingeschüchtert, unterdrückt, inhaftiert, getötet.
NS-Jugendveranstaltung
im Evangelischen Gemeindehaus
In der so genannten „Reichskristallnacht“ im November 1938 brennen die Nazis die Synagoge an der Bahnhofstraße nieder, plündern jüdische Geschäfte und Wohnungen. Der Zweite Weltkrieg bringt Elend und Zerstörung.
Widerstand,
November 1939
Über 10.000 Kriegsgefangene und aus ganz Europa verschleppte Zivilisten müssen in den „kriegswichtigen“ Betrieben des Hattinger Landes Zwangsarbeit leisten. In fast 100 Lagern leben sie unter zumeist unerträglichen Bedingungen. Die meisten der Hattinger Juden werden 1942 in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert und umgebracht. Die letzten Kriegsmonate erleben die Hattinger zumeist in Luftschutzkellern und Bunkern. Große Teile der Hattinger Altstadt werden bei zwei Großangriffen im März 1945 zerbombt, auch in Welper und Blankenstein sind erhebliche Schäden zu beklagen. Über 1.000 Männer aus der Stadt Hattingen sowie den Ämtern Blankenstein und Hattingen-Land sterben auf den Schlachtfeldern des Krieges.
Es geht wieder aufwärts
Nach der Befreiung durch amerikanische Truppen am 16.
April 1945 begeben sich die Hattinger sofort an den
Wiederaufbau. Doch es fehlt am Nötigsten, Nahrung
und Wohnungen sind Mangelware. Die drohende Demontage
der Henrichshütte kann im letzten Augenblick abgewendet
werden, so dass wenigstens die wirtschaftliche Grundlage
für den Wiederaufbau gegeben ist. Eine weitere
Auswirkung des Krieges: Hattingen muss eine große
Zahl Heimatvertriebener und Flüchtlinge aufnehmen.
Im Jahr 1962 leben fast 10.000 Flüchtlinge in der
Stadt, das sind über 30% der Gesamtbevölkerung.
Ganze Wohnviertel in der Südstadt und im Rauendahl
werden aus dem Boden gestampft. Das ist das Wirtschaftswunder!
Aufbau
Auch in den folgenden Jahrzehnten prägt die Henrichshütte, auf der etwa 10.000 Menschen Arbeit finden, die Geschicke der Region. Zur Errichtung einer Sinteranlage wird im Jahre 1959 sogar der Flusslauf der Ruhr verlegt. Mitte der 60er Jahre konkretisieren sich Pläne zur Neuordnung des Ennepe-Ruhr-Kreises. Um eine drohende Eingemeindung nach Hattingen zu verhindern, schließen sich Blankenstein, Buchholz, Holthausen und Welper im Jahre 1966 zur Stadt Blankenstein zusammen, die jedoch lediglich vier Jahre bestehen wird.
Die neue Stadt Hattingen
Am 1. Januar 1970 tritt die seit langem diskutierte
Kommunale Neugliederung in Kraft. Aus der Stadt Hattingen,
dem größten Teil der Stadt Blankenstein und
fünf Gemeinden des Amtes Hattingen-Land - Bredenscheid-Stüter,
Niederelfringhausen, Oberelfringhausen, Oberstüter,
Winz - wird die neue Stadt Hattingen gebildet. Das Stadtgebiet
umfasst nun 71 qkm mit 60.490 Einwohnern.
Bereits
ab 1967 wird in Hattingen ein besonderer Schwerpunkt
auf die Sanierung der historischen Altstadt, später
auch auf den historischen Ortskern Blankenstein gelegt,
eine Zukunftsinvestition, die der Stadt heute eine herausragende
Attraktivität verleiht. Die 80er Jahre werden als
Jahrzehnt der Arbeitskämpfe in die Stadtgeschichte
eingehen. Der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze
bei Mönninghoff/Gottwald und auf der Henrichshütte
schweißt die gesamte Bevölkerung solidarisch
zusammen. Als am 18. Dezember 1987 der letzte Abstich
im Hochofen der Henrichshütte erfolgt, macht das
Schreckensbild der "sterbenden Stahlstadt Hattingen"
die Runde.
Die
Hattinger kämpfen um ihre Hütte
Trotz
aller Rückschläge ist von Resignation jedoch
nichts zu bemerken. Jetzt heißt es die Ärmel
hochkrempeln, der Strukturwandel muss bewältigt
werden! Und die ersten Ergebnisse können sich wahrlich
sehen lassen. Im neugestalteten Landschafts- und Gewerbepark
auf dem ehemaligen Hüttengelände gelingt die
Ansiedlung von modernen Betrieben, neue Gewerbegebiete
im Ludwigstal und am Beul werden erschlossen. „Med
in Hattingen“ entwickelt sich immer mehr zu einem
überregionalen Markenzeichen.
Auch
die Museumsstadt Hattingen, u.a. mit dem Westfälischen
Industriemuseum Henrichshütte, dem Westfälischen
Feuerwehrmuseum oder dem Stadtmuseum in Blankenstein,
erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
Mit dem 2009 eröffneten „Reschop-Carré“ und einer
Intensivierung des Stadtmarketingprozesses werden die Weichen für die
Herausforderungen der Zukunft gestellt.
Reschop-Carré
Das mit breiter Bürgerbeteiligung erarbeitete Stadtentwicklungskonzept Hattingen 2030 zeigt zudem für jeden Ortsteil interessante und spannende Perspektiven auf.
Es gibt viel für Hattingen zu tun, packen wir es gemeinsam an!
©
Thomas Weiß, Stadtarchivar
Stadtarchiv Hattingen 2013
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