Politik diskutiert über
Hebesätze
Hattingen/Ruhr. Grundstückseigentümerinnen und
-eigentümer müssen sich wegen einer Gesetzesreform ab 2025 auf neue
Grundsteuern einstellen, denn alle Immobilienwerte wurden vom Finanzamt in den
letzten Jahren neu berechnet. Allein in NRW wurden dafür rund 6,5 Millionen Grundstücke
und Gebäude neu bewertet. Grund dafür war eine Forderung des
Bundesverfassungsgerichtes, weil die bestehenden Werte von 1964 überaltert
waren.
„Bei jedem einzelnen Grundstückseigentümer wird sich etwas
ändern: Einige werden mehr und andere weniger Grundsteuern bezahlen müssen. Die
Bandbreite ist groß“, weiß Kämmerer Frank Mielke. Was sich für den einzelnen
Steuerzahler ändert, hängt aber davon ab, wie sich der Wert der Immobilie
verändert hat.
Der neue Wert ist im Grundsteuer-Messbescheid des Finanzamts
abgebildet, den die Eigentümer bereits erhalten haben. Die Städte haben auf
diese Wertfeststellung keinen Einfluss.
Neue Grundsteuer ab 2025
Wie viel die Eigentümer demnächst an Grundsteuer zahlen
müssen, erfahren sie mit den neuen Grundsteuerabgabebescheiden, die ab Januar
2025 von den Stadtverwaltungen verschickt werden. Letztlich trifft die
Grundsteuer jeden, denn die Mieterinnen und Mieter zahlen diese über die
Nebenkosten. Ein
entsprechender Grundbesitzabgabenbescheid mit den neuen Summen wird im Januar
2025 an rund 20.500 Adressaten von der Stadt Hattingen verschickt. „Die
Grundsteuerreform macht den Städten keine Freude. Obwohl wir an der Regelung
nicht beteiligt waren, werden wir als Absender der Bescheide den Ärger hier vor
Ort spüren. Wir gehen davon aus, dass viele Bürgerinnen und Bürger rechtlich
gegen die Bescheide vorgehen werden, auch wenn das erst einmal nichts daran
ändern wird, dass gezahlt werden muss“, so Bürgermeister Dirk Glaser.
Hebesätze müssen politisch
neu beschlossen werden
Bevor die Briefe auf den Weg
gebracht werden, entscheiden die Hattinger Kommunalpolitikerinnen und
-politiker über einen neuen Hebesatz B für Wohn- und Nichtwohngrundstücke sowie
die Grundsteuer A für landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Die Neuberechnung ist
notwendig, weil sich mit der Reform sämtliche Grundsteuerwerte verändert haben.
Die Stadt Hattingen muss ihre Hebesätze rechnerisch daran anpassen, um das
Grundsteueraufkommen stabil zu halten. Das heißt, um nach der Reform in Summe
genauso viel an Grundsteuer einzunehmen wie vorher. Denn insgesamt soll die
Grundsteuer-Reform für die Kommunen «aufkommensneutral» sein.
Für Hattingen bedeutet das,
dass auch nach der Reform rund 15,3 Millionen sowie 0,2 Millionen Euro für die
Grundsteuer B und A in die Stadtkasse fließen sollen. Die Einnahmen aus der
Grundsteuer bleiben vollständig vor Ort und werden unter anderem für Schulen,
Kitas, Straßen und Spielplätze oder Sportangebote dringend gebraucht. Jeder
Euro wird sozusagen direkt vor der eigenen Haustür ausgegeben.
Um die gleichen Einnahmen zu
gewährleisten, hat das Finanzministerium NRW im September eine Modell-Tabelle
mit Werten für alle Kommunen in NRW veröffentlicht. Die darin vorgeschlagenen
Hebesätze von B 975 Prozent und A 712 Prozent hat die Stadt angepasst. „Uns
liegen inzwischen aktuellere Zahlen des Finanzamtes vor, so sind wir zu dem
Ergebnis gekommen, dass wir mit dem Vorschlag der Landesliste nicht
aufkommensneutral sind“, erklärt Kämmerer Frank Mielke. Die Stadtverwaltung
wird den Kommunalpolitiker einen Hebesatz B in Höhe von 995 und A von 720
Prozent zur Diskussion und zum Beschluss vorschlagen. In den letzten neun
Jahren wurden sie nicht angehoben und lagen bei 875 beziehungsweise 600
Prozent.
Zunächst tagt der Haupt- und
Finanzausschuss am 28. November und diskutiert über den Vorschlag der
Verwaltung. Im Rat am 12. Dezember werden die neuen Werte abschließend
beschlossen.
Wohnhäuser werden insgesamt
stärker belastet als Gewerbeimmobilien
Tendenziell erfährt die Grundstücksart „Nichtwohnen“ eine
Entlastung während die Grundstücksart „Wohnen“ vergleichsweise stärker belastet
wird. Ursächlich ist das in NRW anzuwendende Bewertungsverfahren. Im Gegensatz
zu anderen Bundesländern wurde in die gesetzlichen Regelungen kein
Korrekturfaktor aufgenommen. Über die Umverteilung der Zahllast soll nach dem
Willen des Landes NRW auf kommunaler Ebene entschieden werden, heißt es in der
Sitzungsvorlage der Verwaltung.
Differenzierte Hebesätze für Wohnen und Gewerbe sind
rechtlich unsicher
Es besteht die Möglichkeit, um
die Belastungsverschiebung auszugleichen und das Wohnen zu entlasten, dass
unterschiedliche Hebesätze B für Wohnhäuser und Gewebeimmobilien erhoben
werden. Das Finanzministerium hatte für Hattingen vorgeschlagen: 873 für Wohn-
und 1.304 für Gewerbeimmobilien. Nach aktueller städtischer Berechnung lägen
die Werte bei 926 und 1.328 Prozent. „Was in der Theorie zunächst gut klingt,
birgt für die Kommunen ein hohes rechtliches und damit fiskalisches Risiko,
denn es ist nicht geklärt, ob die unterschiedlichen Hebesätze vor dem
Verfassungsgericht Bestand haben“, so Kämmerer Frank Mielke. Ein solches Wagnis
möchte die Stadtverwaltung bei der verlässlichen und bedeutenden Einnahmequelle
nicht eingehen, denn es könnte im schlimmsten Fall zu Einnahmeverlusten in
Millionenhöhe führen. Daher schlägt die Verwaltung der Politik einen
einheitlichen Betrag bei der Grundsteuer B für alle Immobilien vor.
„Wenn höchstrichterlich
abschließend geklärt ist, dass eine Differenzierung korrekt ist, könnte in
einem späteren Haushaltsjahr eine Anpassung erfolgen. Dennoch wird es auch dann
immer Ungleichheiten geben“, erklärt Frank Mielke.
Individuelle Berechnung der
Grundsteuer ab 2025
Bei der individuellen
Berechnung der Grundsteuer spielt neben dem Hebesatz der Kommune und der
Steuermesszahl auch der Wert des Grundbesitzes eine Rolle, den das Finanzamt
aufgrund der aktuellen Daten zur Immobilie als sogenannten Einheitswert
ebenfalls neu festgesetzt hat.
Ganz Praktisch: Um die
jährliche Grundsteuer zu berechnen, müssen sich Immobilieneigentümer den neuen
Bescheid des Finanzamtes zum Grundsteuermessbetrag anschauen.
Der aktuelle
Grundsteuermessbetrag 2025 wird mit dem Hebesatz 2025, der noch politisch
beschlossen werden muss, multipliziert und durch 100 dividiert.
Wichtig: Ein neuer, höherer
Steuersatz bedeutet nicht automatisch, dass die Grundsteuer steigt.
Grundsätzlich kann es zu Verschiebungen kommen, so dass mehr, weniger oder
gleiche Steuern möglich sind.